Auskunftsanspruch

Nach Wirksamwerden der Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018 wurde verstärkt die Frage aufgeworfen, ob sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO im Rahmen der Heilbehandlung auch auf die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation erstreckt. Die Angelegenheit hat für die Praxen hinsichtlich der dabei anfallenden Kosten eine praktische Relevanz: denn anders als nach § 630g Abs. 2 Satz BGB und den jeweiligen Berufsordnungen vorgesehen wäre eine auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO gestützte Kopie zumindest in der ersten Ausfertigung für die Betroffenen unentgeltlich. Im Ergebnis ist dies nach Ansicht des LfDI Rheinland-Pfalz aufgrund der besonderen Umstände im Bereich der Heilbehandlung der Fall. Dies hat nun der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.10.2023 (Az. C-307/22) höchstrichterlich bestätigt. Unerheblich ist, ob sich die Patientinnen und Patienten dabei ausdrücklich auf ihr Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO berufen oder nicht.

Art. 15 Abs. 1 EU Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gewährt den von einer Datenverarbeitung betroffenen Personen einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Mitteilung, ob und ggf. welche personenbezogene Daten verarbeitet werden. Der Anspruch, dessen Umfang sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. a – lit. h DS-GVO ergibt, richtet sich gegen die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen. Der Anspruch umfasst nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO auch die Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten.

Im Bereich der Heilbehandlung ist die Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO weit und erstreckt regelmäßig auf die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation, sofern die Patientin oder der Patient dies verlangt. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.10.2023 stellt klar, dass im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses das in Art. 15 Abs. 3 DS-GVO enthaltene Recht auf Erhalt einer Kopie in Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person einen Anspruch auf eine Kopie der Daten aus der Patientenakte umfasst, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen enthält. Zugleich verstößt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine nationale Regelung, die bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO die Kosten für die Bereitstellung einer ersten Kopie der Behandlungsdokumentation den Patienten auferlegt hat, mittlerweile gegen das EU-Datenschutzrecht. Dies bedeutet, dass die bislang nach berufsrechtlichen Regelungen und § 630g BGB bestehende Möglichkeit einer Kostenerhebung auch für die erste Kopie rechtswidrig ist.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist aus datenschutzrechtlicher Sicht konsequent und beendet eine seit Inkrafttreten der DS-GVO bestehende Unsicherheit zwischen in Deutschland geltendem nationalem Recht und den Vorgaben des EU-Datenschutzrechts. Inhaltlich ist sie zutreffend, da es sich bei den in einer Patientenakte enthaltenen Daten fast ausschließlich um Gesundheitsinformationen und damit um personenbezogene Daten besonderer Kategorien im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO handelt. Diese sind nach Art. 15 Abs. 1 lit. b DS-GVO immer im Rahmen der Auskunftserteilung zu benennen. Nach Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO umfasst das Recht der betroffenen Person auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten auch Informationen zu Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Nach Auffassung des Verordnungsgebers sollte zumindest die Möglichkeit eines direkten Zugangs zu den Daten geschaffen werden.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, praxisintern den Umgang von Auskunftsbegehren oder vergleichbaren Anliegen zu organisieren. Dabei kann es Sinn machen, die Beantwortung derartiger Anfragen nur einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen, die über eine entsprechende Rechtskenntnis verfügen.

Check

  1. Wie ist in der Praxis der Umgang mit Auskunftsbegehren oder vergleichbaren Anliegen organisiert?
  2. Wird bei der Bereitstellung von Kopien der Behandlungsdokumentationen von den Patienten die Erstattung von Kosten verlangt?