Abholung von Rezepten und Bescheinigungen
Im Praxisalltag muss häufig die Frage entschieden werden, ob ärztliche Verordnungen oder Bescheinigungen auch anderen Personen als dem Patienten selbst ausgehändigt werden dürfen. Hintergrund sind einerseits regelmäßig nicht mehr mobile Patienten, die dauerhaft Medikamente einnehmen müssen und die zur Abholung von Folgerezepten Angehörige, Nachbarn oder sonstige Bekannte beauftragen. Andererseits kann aufgrund einer akuten Erkrankung die Notwendigkeit bestehen, Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen durch Dritte abholen zu lassen. Auch wenn eine derartige Hilfe und Unterstützung der Patienten selbstverständlich zu begrüßen ist, müssen gleichwohl aus Sicht der Ärzte Gesichtspunkte der Schweigepflicht und des Vertraulichkeitsschutzes beachtet werden:
Sowohl nach den Vorgaben des Datenschutzrechts als auch des Standesrechts ist eine derartige Aushändigung nur zulässig, wenn die Ärzte hierzu entweder gesetzlich befugt sind oder der Patient in eine solche Verfahrensweise eingewilligt hat. Sofern es sich bei dem Dritten nicht um einen gerichtlich bestellten Betreuer handelt, dessen Betreuungsumfang zumindest auch die Gesundheitsfürsorge umfasst, fehlt es an einer gesetzlichen Befugnis, so dass es in solchen Fällen auf das Einverständnis der betroffenen Patienten ankommt. Dabei sollte in der Praxis folgendermaßen differenziert werden:
- Ist der Praxis positiv und zweifelsfrei bekannt, dass ein Patient eine bestimmte Person mit der Abholung beauftragt hat, steht einer Übergabe der Rezepte und Bescheinigungen in einem verschlossenen Umschlag regelmäßig nichts entgegen, wenn die Beauftragung, die jederzeit widerrufen werden kann, einmalig seitens des Patienten schriftlich gegenüber der Arztpraxis erklärt wurde. Sofern das bislang noch nicht erfolgt ist, sollte zumindest bis zu dessen Nachholung der Umstand der von dem Patienten gewünschten Abholung einschließlich der Identität der beauftragten Person dokumentiert werden. In Ausnahmefällen, wenn die Abholung durch Dritte bereits seit geraumer Zeit ohne erkennbare Probleme praktiziert wurde, kann die Praxisleitung eigenverantwortlich festlegen, auf eine Nachholung zu verzichten. Zudem sollte jede einzelne Aushändigung seitens der Arztpraxis einschließlich der Identitätsprüfung des Abholenden, von der bei persönlich bekannten Personen im Einzelfall abgesehen werden kann, vermerkt werden.
- Sofern Personen um Aushändigung von Rezepten oder Bescheinigungen für Patienten bitten, ohne dass der Praxis vorher ein derartiges Anliegen bekannt war, wäre die Herausgabe nur dann zulässig, wenn dies aus Praxissicht zweifelsfrei dem Willen des Patienten entspricht. Hierzu bedarf es der Vorlage geeigneter Nachweise wie z.B. einer von dem Patienten unterzeichneten eindeutigen Einwilligungserklärung. In dringenden Fällen, wenn eine Verweigerung der Aushändigung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei dem Patienten führen könnte, sollte zumindest eine telefonische Bestätigung der Beauftragung bei dem Patienten eingeholt werden. Darüber hinaus gelten auch hier die o.g. Dokumentationsanforderungen.
Der rheinland-pfälzische Landesdatenschutzbeauftragte versucht mit dieser vermittelnden Position die rechtlichen Vorgaben zum effektiven Schutz von Patientendaten mit den Anforderungen an einen handhabbaren Praxisablauf zu vereinen. Dabei wird im Ergebnis den Arztpraxen die Letztverantwortung für eine datenschutzgerechte Aushändigung von Rezepten und Bescheinigungen an Dritte übertragen, sofern auf das Erfordernis einer schriftlichen Einwilligung im Einzelfall abgesehen werden soll.
- Ist die Person des Abholenden und dessen Beziehung zum Patienten der Praxis bekannt?
- Ist es plausibel, dass eine Abholung nicht durch den Patienten selbst, sondern einen Dritten erfolgt?
- Wurde mit dem Patienten bislang über den Wunsch, Folgerezepte oder Bescheinigungen durch Dritte abholen zu lassen, gesprochen?