An Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht
Die ärztliche bzw. psychotherapeutische Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei, Gericht), solange seitens der Patientinnen und Patienten keine Entbindung von der Schweigepflicht erfolgt ist. Das staatliche Strafverfolgungsinteresse rechtfertigt bei begangenen Straftaten nicht den Bruch der ärztlichen und psychotherapeutischen Schweigepflicht. Ein typisches Beispiel ist der Diebstahl einer Geldbörse im Wartezimmer der Praxis oder die eingebeulte Stoßstange auf dem Praxisparkplatz. Die Praxisinhaberin bzw. der Praxisinhaber darf in diesem Fall der Polizei nicht mitteilen, welche Patientinnen und Patienten und Begleitpersonen sich im Wartezimmer befanden, denn allein die Tatsache, dass eine Patientin bzw. ein Patient die Praxis aufsucht, unterliegt der Schweigepflicht.
Im Gegensatz dazu besteht die Schweigepflicht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden in denjenigen Fällen nicht, in denen den Behandelnden bekannt wird, dass ein Verbrechen gemäß der §§ 138, 139 Abs. 3 Strafgesetzbuch (zum Beispiel Mord, Totschlag, Raub) geplant ist. In diesem Fall besteht die Verpflichtung (MUSS), den Strafverfolgungsbehörden diese geplante Straftat anzuzeigen.
Schwieriger ist es, wenn es sich um Straftaten handelt, die nicht im Katalog der §§ 138, 139 StGB aufgeführt sind, wie z.B. Vergewaltigung, Gefährdung des Straßenverkehrs, Kindeswohlgefährdung, häusliche Gewalt. In derartigen Fällen sind die Behandelnden berechtigt ihre Schweigepflicht zu brechen (KANN). In diesem Kontext ist es im ersten Schritt erforderlich, auf die Patientinnen und Patienten einzuwirken, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Nur wenn dies nicht zum Ziel führt, kann nach einer Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter (Schweigepflicht auf der einen und gegebenenfalls Körperverletzung, Gefährdung Dritter usw. auf der anderen Seite) eine Entscheidung zum Bruch der Schweigepflicht getroffen werden. Diese Abwägung dient dem Schutz des höherrangigen Rechtsgutes. Klassische Beispiele hierfür sind die Suizidgefährdung, die Gefährdung Dritter durch alkoholisierte Teilnahme am Straßenverkehr oder auch die Kindeswohlgefährdung. Hierzu verweisen wir auf unseren Text unter der Rubrik: Übermittlung an Dritte – Bei Kindeswohlgefährdung.
Will die Polizei Patientenunterlagen beschlagnahmen, ist zu differenzieren:
- Richtet sich das Strafverfahren ausschließlich gegen Patientinnen und Patienten, unterliegen die Behandlungsunterlagen einem gesetzlichen Beschlagnahmeverbot.
- Ist jedoch die Praxisinhaberin bzw. der Praxisinhaber (mit)-beschuldigt in dem Verfahren, kann eine Beschlagnahme erfolgen, wenn dies richterlich angeordnet wurde. In diesem Fall ist die Praxisinhaberin bzw. der Praxisinhaber zur Wahrnehmung ihrer bzw. seiner Rechte berechtigt, sich gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu äußern . Die ärztliche bzw. psychotherapeutische Schweigepflicht ist dann aufgehoben.
Die Behandelnden, die vom Gericht als Zeugen oder sachverständige Zeugen geladen und von der Patientin bzw. dem Patienten von der Schweigepflicht entbunden wurden, können sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Sie müssen soweit aussagen, wie die Entbindung der Schweigepflicht durch die Patientin bzw. den Patienten reicht.
LPK RLP: Praxis-Tipp Nr. 8: Die Zeugenladung – was ist zu beachten? (lpk-rlp.de)